Ratgeber

Das Dilemma der Dienstgeräte für Lehrkräfte

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Nach langem Hin und Her haben es die Länder und der Bund nun endlich geschafft, eine Kooperationsvereinbarung zu unterschreiben, die die Ausstattung mit Dienstgeräten für Lehrkräfte regelt (zur Pressemeldung des Bundeministeriums). Jedes Bundesland ist nun an der Reihe für sich zu entscheiden, wie es das umsetzten möchte und die ersten Nachrichten aus den verschiedenen Richtungen der Republik zeigen, dass das durchaus unterschiedlich gehandhabt wird. Das weckt eventuell Begehrlichkeiten und macht es für Lehrkräfte nicht gerade einfach.

Letztes Wochenende saß ich mit meiner Frau beim Frühstück und laß Zeitung, in der großmundig verkündet wurde, „dass das Geld für Lehrerlaptops jetzt fließen kann.“ Zudem hatte der Schulträger meiner Frau just auch schon eine Abfrage zugesendet, in der es darum ging, das Wunschgerät zu beschreiben. Nach und nach vertieften wir uns in der Thematik und merkten sehr schnell, dass das anfängliche „Yeah, Dienstgeräte !!!“ in ein „Hm … Moment mal … macht das überhaupt Sinn?“ umschwenkte. Hier ein paar Gedanken.

Wenn ich an ein Dienstgerät für Lehrkräfte denke, dann wünsche ich mir gerade aus der Perspektive des Distanzunterrichts und der schieren „Papier“flut, die über einen hereinbricht, die eierlegende Wollmilchsau – vermute ich.
Um pädagogisch zu arbeiten und Dinge schnell und einfach korrigieren zu können, muss meiner Meinung nach ein Gerät her, dass es mir ermöglicht, mithilfe eines Stiftes digitale Abgaben direkt zu kontrollieren. Prämisse 1 wäre also geschaffen:

Prämisse 1: Ein Endgerät mit einem Stift zur digitalen Korrektur

Um im Unterricht auf lange Sicht effektiver mit den Lernenden zusammenarbeiten zu können, scheint ein iPad unabdingbar. Ja ich weiß, iPad vs. Windows vs. irgendetwas anderes; aber um diese Glaubensdebatte geht es an dieser Stelle nicht! Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Sachaufwandsträger (in der Regel Städte und Kreise) hauptsächlich iPads anschaffen, denn – auch wenn einige das nicht hören wollen – die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen: Zentrale Verwaltbarkeit mittels MDM, eine unglaubliche Masse an Apps, sie sind intuitiv in der Bedienung, ein gut funktionierender Stift, lange Haltbarkeit bei entsprechender Behandlung und Kollaboration von iPads der Lehrkraft mit Geräten der Schüler (Classroom-App). Prämisse 2 wird so hoffentlich erkenntlich.

Prämisse 2: Das Endgerät muss sich in die bereits bestehende Infrastruktur einfügen und mit den Geräten der Lernenden kompatibel sein.

Wo waren wir? Achja – iPad. Ein iPad scheint eine gute Möglichkeit eines Dienstgerätes für Lehrkräfte zu sein. Es deckt Prämisse 1 ab; nämlich einen Stift und ist in den Schulen bereits bei den Schülern stark vertreten: Stichwort iPad-Klassen.

Aber! Sie sind klein. Wenn ich überlege, dass ich an einem normalen iPad Konferenzmitschriften, Arbeitsblätter, Korrekturen uvm. ausführen soll, dann graut es mir leider etwas. Nicht falsch verstehen – das iPad ist ein super Allrounder für den Alltagsgebrauch. Wenn es aber in Richtung „Verwaltung“ geht und ich an Mitschriften, Aktennotizen und umfangreiche Materialpakete denke, wird es da schon schwierig. Das Gerät muss also groß genug sein, um adäquat damit arbeiten zu können; auch wenn ich +4 Dioptrien auf meiner Brille habe oder sich meine Wirbelsäule durch das ständige Sitzen der Form eines Fragezeichens angleicht. In der Kategorie iPad müssen wir dann aber schon in Richtung der iPad Pros schielen. Ausstattungsmäßig sehr nett, preislich jedoch im Bereich von 800-1000€; ohne Zubehör wie Stift und Tastatur. Damit wären wir bei Prämisse 3 für ein Dienstgerät:

Prämisse 3: Das Endgerät muss es möglich machen, auch über einen längeren Zeitraum adäquat damit und daran arbeiten zu können.

Solche Geräte wie iPads machen es zudem schwer, dass Software der Ministerium (z.B. zur Leistungserfassung oder Zeugniserstellung) meistens nur für Windows-Geräte erstellt werden.

Prämisse 4: Die landeseigene Software zur Schulverwaltung muss auf den Geräten lauffähig sein.

Wenn ich diese Punkte einmal betrachte, dann wende ich leider den Blick von einem iPad ab (und ihr wisst, dass ich das ungern tue!) und gucke in Richtung der Windows-Alternativen. Eine Windows-Alternative hätte meine volle Zustimmung: ein Microsoft Surface. Es ist klein, kompakt, hat einen Stift zur digitalen Korrektur und dank Windows 10 sollten alle üblichen Programme zur Schulverwaltung darauf laufen. Hört sich super an! Dann schaue ich auf den Preis und schmunzele, weil ich jetzt schon weiß, dass die Träger diese Summe von ebenfalls 800-1000€ niemals pro Gerät aufwenden werden bzw. aufwenden können. Des Weiteren fällt die 2. Prämisse dann hinten runter … die Kids sitzen alle schön mit iPads in ihrer iPad-Klasse und ich hab ’nen Surface. Fühlt sich nicht richtig an. Natürlich gibt es noch andere sogenannte Convertables – also Geräte, die Laptop und Tablet in einem sind, aber preislich tut sich da letztendlich nicht viel, wenn’s ein paar Jahre halten soll.

Und leider befürchte ich daher, dass die Ministerien verstärkt in Richtung der Notebooks schielen werden. Diese sind günstig zu bekommen (im Bereich von 300-500€) und die Träger haben bereits Erfahrungen damit sammeln können. Doch leider entspricht das in keiner Weise der schulischen Realität, wie ich sie hier versucht habe darzustellen. Die eierlegende Wollmilchsau scheint mir dahingehend nicht möglich – das perfekte Gerät für die Lehrkraft gibt es anscheinend nicht.
Natürlich wird es einfacher, wenn noch keine Systeme in der Schule vorhanden sind. Doch ein Großteil der Schulen hat sich bereits auf den Weg gemacht und gerade die Grund- und Sek1-Schulen haben diesen Weg mit Apple begonnen.

Einige Bundesländer haben auch entschieden oder haben vor, dass Lehrkräfte einen Zuschuss zu einem eigens wählbaren Gerät erhalten. Das ist prinzipiell erst einmal eine tolle Idee; bis zu dem Zeitpunkt, wo irgendwas nicht geht, administriert, installiert , usw. werden muss. Wenn jede/r das eigene Süppchen kocht, gehen Synergieeffekte verloren, die dadurch entstehen, dass eine große technische Einheitlichkeit vorhanden ist. Ich frag mich auch, wer das alles supporten soll, wenn 35 verschiedene Gerätetypen in einer Schule unterwegs sind.

Wo ist hier eigentlich das Problem?

Ich glaube, ich als Lehrkraft bin das Problem. Ich bin seit Beginn meiner Tätigkeit daran gewöhnt, mir meinen eigenen Kosmos zu schaffen. Wenn ich die bunte Pastellkreide haben möchte, kaufe ich sie. Wenn ich per E-Mail erreichbar sein möchte, habe ich eine Mailadresse bei einem Anbieter wie GMail, web.de oder sonstewas angelegt. (Dienstliche Mailadressen in Hessen seit 10/2020!!!) Und wenn ich ein Endgerät wollte oder brauchte, dann war die Antwort leider viel zu oft: „Dafür ist kein Geld da; das müssen Sie dann schon selber kaufen.“
Ich konnte jetzt zetern und mir den Alltag erschweren oder ich habe das Geld in die Hand genommen und mir so den Arbeitsalltag erleichtert.
Ich habe mir also über die Zeit meinen eigenen Kosmos geschaffen, mit dem ich arbeiten möchte und mit dem ich arbeiten kann. Einige Kolleginnen und Kollegen haben nur Apple Macs zu Hause; für die wäre ein Windows-Notebook eine totale Umgewöhnung. Windows-User würden bei einem iPad mitunter erst einmal schlucken. Wir Lehrkräfte sind es (leider) gewohnt, die Dinge, mit denen wir arbeiten wollen, selbst anzuschaffen. Jeder Angestellte einer Firma schüttelt jetzt wahrscheinlich den Kopf sollte er mysteriöserweise auf diesen Lehrerblog gestoßen sein 🙂 – aber so ist es halt.
Aber müssen wir nicht von dem Gedanken wegkommen? Wenn der Dienstherr ein Gerät bereitstellt, sollten wir nicht damit arbeiten? Sollten wir nicht – auch zum Schutz unserer eigenen Gesundheit – privates und berufliches Leben voneinander trennen? Das geht schwer, wenn die Mails auf meinem privaten Gerät im Mailpostfach aufploppen. Wenn das Dienstgerät aus ist, dann ist es aus. Keine Mama die abends um 22 Uhr schreibt, kann mir so den Puls auf der Couch hochtreiben. Sollten wir nicht unseren Dienstherren stärker in die Pflicht nehmen, uns Lehrkräfte adäquat auszustatten? Ich stelle mir den Allianz-Vertreter vor, der sein privates Endgerät bei mir auspackt, um Versicherungen zu verkaufen … das würd’s nicht geben. Warum machen wir Lehrkräfte das dann?

Es ist ein Dilemma zwischen Komfortzone des eigenen Kosmos, schulischer Realität, Praktikabilität und Ansinnen der Sachaufwandsträger. Ich bin leider der Überzeugung, dass es das ideale Dienstgerät aufgrund der Vielfalt an Aufgaben und Möglichkeiten nicht geben kann. Wie gehst du damit um und wie würdest du antworten, wenn dein Schulleiter fragt, welches Gerät du möchtest?
Ich für mich habe die Entscheidung schon getroffen.

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